greenpeace

Greenpeace-Urteil: Öl- und Gasindustrie könnte Proteste härter verfolgen

Ein Bericht von Entsorgungs.de | 25. März 2025

Ein Gerichtsurteil gegen Greenpeace in den USA sorgt für weltweite Besorgnis unter Klimaaktivisten. Eine Jury in North Dakota entschied vergangene Woche, dass Greenpeace über 660 Millionen Dollar an das Pipeline-Unternehmen Energy Transfer zahlen muss. Der Vorwurf: Verleumdung und andere Delikte im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Dakota Access Pipeline in den Jahren 2016 und 2017.

Experten warnen, dass dieses Urteil eine neue Ära der juristischen Verfolgung von Umweltaktivisten einläuten könnte – gerade in einer Zeit, in der die Regierung von Donald Trump ihre fossile Energieagenda aggressiv vorantreibt.

Ein Urteil mit weitreichenden Folgen

Das Verfahren gegen Greenpeace wurde in Mandan, North Dakota, verhandelt – unweit des Ortes, an dem tausende Demonstranten 2016 und 2017 gegen die Dakota Access Pipeline protestierten. Die Jury befand, dass Greenpeace durch seine Kampagne gegen das Pipeline-Projekt Energy Transfer geschadet habe.

Michael Gerrard, Direktor des Sabin Center for Climate Change Law an der Columbia Law School, erklärte, dass dieses Urteil andere Energieunternehmen ermutigen werde, rechtlich gegen Proteste vorzugehen. Er warnt davor, dass dies künftige Demonstrationen abschrecken könnte.

Auch Amnesty International äußerte Kritik. Die Organisation sieht das Urteil als gefährlichen Präzedenzfall für die Meinungsfreiheit, der Greenpeace in seiner Existenz bedrohen könnte.

Trumps Energiepolitik und die Eskalation gegen Aktivisten

Seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus im Januar 2025 verfolgt seine Regierung eine pro-fossile Strategie unter dem Motto „Drill, Baby, Drill“. Das Urteil gegen Greenpeace könnte Teil einer größeren Bewegung sein, mit der Unternehmen und regierungsnahe Akteure versuchen, Klimaproteste juristisch zu unterbinden.

Kevin Cramer, Senator von North Dakota, begrüßte das Urteil gegen Greenpeace und erklärte, dass die Aktivisten sich zweimal überlegen sollten, ob sie so etwas noch einmal tun.

Auch innerhalb der Öl- und Gasindustrie wird das Urteil positiv aufgenommen. Kelcy Warren, CEO von Energy Transfer und ein langjähriger Trump-Unterstützer, gilt als treibende Kraft hinter dem juristischen Vorgehen gegen Greenpeace. Er hat in der Vergangenheit mehrere Klagen gegen Umweltgruppen eingereicht.

Konservative Persönlichkeiten wie Charlie Kirk von Turning Point USA und der Radiomoderator Erick Erickson äußerten sich zustimmend. Erickson schrieb auf X (ehemals Twitter), dass er als Energy-Transfer-Aktionär die Kampagne gegen Greenpeace als großen Erfolg sehe.

Angst vor juristischen Angriffen auf Proteste

Die American Civil Liberties Union (ACLU) sieht in dem Urteil eine „Steuer auf freie Meinungsäußerung“, die darauf abzielt, Proteste unbezahlbar zu machen.

Brian Hauss von der ACLU warnt davor, dass sich niemand mehr sicher fühlen werde, gegen Umweltzerstörung zu protestieren, wenn Unternehmen Kritiker mit Klagen vernichten können.

Das International Center for Not-for-Profit Law dokumentiert seit Jahren einen Anstieg von Anti-Protest-Gesetzen in den USA. Viele dieser Gesetze sehen harte Strafen für Demonstrationen in der Nähe von Pipelines oder anderer kritischer Infrastruktur vor.

In einer Analyse des Zentrums heißt es, dass nicht nur Umweltgruppen betroffen seien. Auch religiöse Organisationen und gemeinnützige Gruppen könnten davor zurückschrecken, Proteste zu unterstützen, wenn sie für illegale Aktionen einzelner Beteiligter haftbar gemacht werden.

Greenpeace gibt nicht auf – doch die Zukunft ist ungewiss

Trotz des Urteils bleibt Greenpeace entschlossen, seinen Kampf für den Klimaschutz fortzusetzen. Sushma Raman, die kommissarische Geschäftsführerin von Greenpeace USA, betonte, dass sich die Ziele der Organisation nicht geändert hätten. Dennoch zwinge das Urteil Greenpeace dazu, Strategien und Prioritäten neu zu überdenken.

Greenpeace will das Urteil vor dem Obersten Gerichtshof von North Dakota anfechten. Einige Rechtsexperten räumen der Organisation gute Chancen ein, da der Fall möglicherweise gegen den ersten Verfassungszusatz zur Meinungsfreiheit verstößt.

Zudem gibt es Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Jury. Viele Mitglieder hatten enge Verbindungen zur Öl- und Gasindustrie und standen dem Protest gegen die Dakota Access Pipeline von Anfang an kritisch gegenüber.

Der größere Kampf um Protestrechte

Das Urteil gegen Greenpeace ist kein Einzelfall. In den letzten Jahren wurden verschärfte Gesetze gegen Proteste verabschiedet, insbesondere nach großen Demonstrationen wie Black Lives Matter, den Gewerkschaftsprotesten und den Klimaaktivisten-Bewegungen.

Auch an US-Universitäten werden Proteste zunehmend sanktioniert. So droht derzeit dem ehemaligen Columbia-Studenten Mahmoud Khalil die Abschiebung, weil er sich für palästinensische Menschenrechte einsetzte.

Shane Kadidal vom Center for Constitutional Rights bezeichnet Milliardäre wie Elon Musk und Kelcy Warren als eine der größten Bedrohungen für die freie Meinungsäußerung weltweit.

Fazit: Einschüchterung oder juristischer Präzedenzfall?

Die Klage gegen Greenpeace zeigt, wie mächtige Unternehmen das Rechtssystem nutzen können, um Kritiker finanziell zu ruinieren. Während die Öl- und Gasindustrie das Urteil als Sieg für Recht und Ordnung feiert, sehen Bürgerrechtsorganisationen darin einen Angriff auf die Demokratie.

Greenpeace wird weiterkämpfen – doch die Frage bleibt, wie viele Umweltgruppen und Aktivisten sich in Zukunft noch trauen werden, gegen mächtige Unternehmen aufzustehen.

Sushma Raman von Greenpeace USA betonte abschließend, dass man eine Bewegung nicht verklagen oder bankrott machen könne.

Quellen

  • The Guardian, „Greenpeace loss will embolden big oil and gas to pursue protesters“, 21. März 2025
  • Sabin Center for Climate Change Law, „Legal consequences of anti-protest litigation“, 2025
  • Amnesty International, „Threats to free speech in environmental activism“, 2025
  • International Center for Not-for-Profit Law, „The rise of anti-protest laws in the US“, 2025
  • American Civil Liberties Union (ACLU), „Corporate lawsuits as a tool to silence activists“, 2025